Ich möchte nicht nur meine Geschichte erzählen. Ich möchte Menschen den Raum geben ihre eigene Geschichte zu erzählen. Geschichten, in denen Menschen ihre eigenen Stimme gefolgt sind. Neue Wege gegangen sind. Regeln gebrochen haben. Gewachsen sind. Denn es gibt so viele wirkliche beeindruckende Geschichten, die erzählt werden sollten!
Die Geschichte von Carina von Stackelberg
Wer bist du?
Ich bin Carina, ich bin 27 Jahre alt, komme aus Hamburg und studiere Psychologie im Master.
Ich habe die chronische Krankheit Mukoviszidose – seit meiner Geburt. Mukoviszidose, oder auch Cystische Fibrose, ist die häufigste Erbkrankheit in Deutschland. Sie ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch einen Gendefekt verursacht wird. Die Bauchspeicheldrüse, die Leber, der Darm, aber vor allen Dingen die Lunge sind davon betroffen. Die Körperflüssigkeiten sind bei Mukoviszidose zähflüssiger als bei Menschen ohne diesen Gendefekt. Typische Symptome sind daher ständiger Husten, um den zähen Schleim loszuwerden und Atemnot. Meine Lungenfunktion ist beeinträchtigt, ich leide unter wiederkehrenden Infekten und Lungenentzündungen. Mukoviszidose lässt sich nicht heilen, man kann nur die Symptome lindern. Das kostet viel Zeit und Energie! Trotz meiner Erkrankung möchte ich aber am „normalen“ Leben teilnehmen. Aber Studium, Hobbys, Freizeit und Krankheit – das alles passt häufig nur ziemlich schwer unter einen Hut.
Was ist deine Bestimmung?
Warum gehen Menschen so unterschiedlich mit Stolpersteinen und Schicksalsschlägen um – was motiviert einen weiter zu machen oder aufzugeben? Diese Fragen stelle ich mir, seit ich denken kann. Diese Fragen waren unter anderem auch ein Anstoß, dass ich angefangen habe Psychologie zu studieren. Häufig war ich in meinem Leben selbst an einem Punkt, an dem ich nicht mehr weiter wusste und trotzdem habe ich Wege gefunden, weiterzumachen.
Meine eigenen Erfahrungen und mein Wissen aus dem Studium möchte ich gerne kombinieren. Ich wünsche mir Menschen dabei zu helfen, Wege zu finden, Mut und Motivation zu schöpfen. Ich möchte Menschen helfen, die Stolpersteine des Lebens ein bisschen leichter zu überwinden. Neben dem Studium arbeite als Mentaltrainerin und versuche Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, sie vielleicht ein bisschen zu inspirieren und ihnen Mut zu machen. Außerdem habe ich einen Blog, in dem ich regelmäßig über mich und meine Erkrankung schreibe. In meinem Studium schreibe ich gerade an meiner Masterarbeit. Ich mache eine Studie über eine Motivationsstrategie, die chronisch Kranken dabei helfen soll, ihre tägliche Therapie motivierter durchzuführen.
Wann hast du dich dazu entschieden deiner inneren Stimme zu folgen?
Vor einem Jahr ist mein bester Freund gestorben. Auch er hatte Mukoviszidose. Der Verlust meines Freundes war auf irgendeine Art auch ein Schlüsselereignis. Plötzlich habe ich mir Fragen gestellt, über die ich mir vorher nie Gedanken gemacht habe. Ich habe das, was in mir vorgeht immer eher zurückgehalten und meine innere Stimme über 25 Jahre lang auf lautlos gestellt. Viele Dinge, die ich gemacht habe, haben mich unheimlich viel Kraft gekostet – eigentlich sogar mehr Kraft als ich besitze. Mein Studium, die Lernerei in der Schule zum Beispiel. Doch ist es das eigentlich wert? Welchen Wert hat all das am Ende?
Nach dem Tod meines besten Freundes habe ich begonnen mehr von dem zu tun, wofür mein Herz schlägt. Meine innere Stimme, die ich so viele Jahre auf leise gedreht habe, habe ich wieder lauter gedreht. Ich habe begonnen, dieser Stimme zuzuhören. Wofür schlägt mein Herz? Ich wollte aufstehen und über das sprechen, was mir wichtig ist. Nicht blind im Strom mitschwimmen, sondern mich zu fragen, was ich eigentlich möchte, was mich glücklich macht. Ein großer Teil davon ist, über ein Tabuthema wie eine chronische Krankheit zu sprechen und zwar so, dass es plötzlich gar kein Tabuthema mehr ist. Ziemlich viele von uns sind nämlich von etwas betroffen, dass laut unserer Gesellschaft nicht normal ist…
Was gab es für Stolpersteine auf deiner Reise?
Auf meiner Reise gab es viele Stolpersteine. Manchmal habe ich das Gefühl, ich springe von einem zum nächsten Stolperstein. Ich liege seit meiner Kindheit regelmäßig im Krankenhaus und muss medikamentöse Therapien machen, die mich ganz schön auszehren. Ich mache täglich mehrere Stunden Physiotherapie. In meinem Studium kam ich immer wieder an den Punkt, an dem ich nicht mehr konnte. Es war einfach zu anstrengend für mich. Soll ich das Ganze einfach sein lassen? Soll ich etwas machen, das „einfacher“ und „bequemer“ ist und mich nicht so sehr an meine psychischen und körperlichen Grenzen bringt? Ich habe trotzdem weiter gemacht. Mittlerweile glaube ich, dass mich diese Momente zu dem Menschen gemacht haben, der ich bin. Heute versuche ich die Stolpersteine allerdings nicht mehr als Hindernisse, sondern als Lehrstunden des Lebens wahrzunehmen. Denn all die Stolpersteine zeigen uns ein bisschen mehr vom Leben, von all den Facetten, die das Leben zu bieten hat.

Gibt es Parallelen zum Projekt des Strangers?
Ich selbst mache keine Musik – und doch geht es auch bei mir im weitesten Sinne um Klänge. Ich möchte auf den Klang meiner inneren Stimme hören und jedem dabei helfen, diese Fähigkeit zu entwickeln. Auch für mich war es sinnbildlich ein Gang durch die Wüste, bis ich es geschafft habe, auf meine innere Stimme zu hören. Dadurch, dass ich gelernt habe, in mich hineinzuhorchen, habe ich erst entdeckt, wie viele Schätze auf unseren Wegen liegen – auch wenn sie voller Stolpersteine sind.
Wie würdest du anderen Menschen Mut machen ihrer inneren Stimme zu folgen?
Auf seine eigene innere Stimme zu hören ist nichts, was man entweder kann oder nicht kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir es alle lernen können und das auch man lernen kann, glücklich zu sein. Es bedarf Geduld und die Bereitschaft, auf sich selbst zu hören. Wir sind manchmal taub für das, was uns unser Herz eigentlich sagen möchte. Wir rennen Dingen hinterher, die uns vermeintlich wichtig sind, die uns erfolgreich machen. Dabei müssen wir alle nur zuhören. Unsere innere Stimme ist nämlich viel lauter, als wir manchmal glauben! Es ist wichtig, manchmal still zu werden und mit Elefantenohren zuzuhören. Unserem Herzen und anderen Menschen zuzuhören.
Ich kenne es aus eigener Erfahrung, dass wir häufig sehr uneins mit uns sind, weil etwas nicht so läuft wie wir uns das eigentlich vorgestellt haben. Doch um diese Stolpersteine zu überwinden, ist es unheimlich wichtig, dass wir uns selbst gut kennen und uns selbst ein guter Freund sind. Und nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen. Wir müssen lernen, gnädiger und auch liebevoller mit uns selbst umzugehen. Denn je mehr wir wissen, wer wir sind und was wir eigentlich wollen, desto leichter ist es auch, die ersten Schritte in die Richtung zu gehen – in die Richtung, in die unser Herz schlägt. Es geht auch nicht immer um die sofortige große Veränderung, die alles im Leben umkrempelt. Manchmal hilft es, mit kleinen Schritten zu beginnen. Auszuprobieren und zu schauen was sich gut anfühlt. Am meinem eigenen Beispiel habe ich erfahren, dass jeder Stolperstein, jedes Hindernis, jeder Schicksalsschlag im Leben uns zu dem macht, wer wir sind. Doch nur, wenn wir auf unsere eigene innere Stimme hören, können wir uns selbst besser kennen zu lernen.
Es geht auch nicht immer um die sofortige große Veränderung, die alles im Leben umkrempelt. Manchmal hilft es, mit kleinen Schritten zu beginnen. Auszuprobieren und zu schauen was sich gut anfühlt. Am meinem eigenen Beispiel habe ich erfahren, dass jeder Stolperstein, jedes Hindernis, jeder Schicksalsschlag im Leben uns zu dem macht, wer wir sind. Doch nur, wenn wir auf unsere eigene innere Stimme hören, können wir uns selbst besser kennen zu lernen.
Mehr über Carina:
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